Gerd Borkelmann

DIFFERENT PLACES – DIFFERENT STORIES
Bea Otto, Venlo – Odabureau – Ginkelstraat 34

Ihren eigens zu DIFFERENT PLACES – DIFFERENT STORIES konzipierten Werkbeitrag präsentiert Bea Otto (geb. 1965) in einem ehemaligen Wohnhaus im Venloer Stadtviertel Q 4. Das in Reihe gebaute, zweigeschossige Gebäude dient dem Odapark Venray seit Kurzem als Dependance und Büro in der Stadt. In seinen Ausmaßen bescheiden, bietet es nur wenig Fläche, ist überschaubar und kompakt. Öffnung erfährt es einzig nach hinten hinaus, wo sich ein Innenhof anschließt, dessen nahezu quadratische Grundfläche allseits von Mauern umgeben ist. Der lange Leerstand und die bisher nur partiell ausgeführte Instandsetzung des Gebäudes statten es mit dem bescheidenen Charme des Unfertigen und Provisorischen aus.

Dass dieser Ort Bea Ottos Interesse finden würde, überrascht nicht, sind es doch vor allem vorgefundene Orte und ihre räumlichen Zusammenhänge, auf die sie sich in ihren Arbeiten unmittelbar bezieht. Aufgeladen mit der Geschichte des Ortes bilden sie den Rahmen und Ausgangspunkt eines Prozesses skulptural-installativer Aneignung und Transformation.

Raum erfährt dabei eine spezifische Ausdifferenzierung, wird durch Markierungen, durch Einfassungen und Rahmungen erfahrbar. Objekte und Einbauten erweitern die unmittelbaren Gegebenheiten und verschieben so die bestehenden räumlichen Koordinaten, lassen in der Verschränkung von künstlerischer Intervention und architektonischem Umraum neue Orte, neue Topographien entstehen.

Die bildhafte Wirkung der Installation im Innenhof erfährt ihre Fortsetzung durch die Präsentation von Zeichnungen der Künstlerin im Erdgeschoss und eine weitere Installation im Obergeschoss des Hauses, die den Betrachter nachhaltig in ihren Bann zieht. Dabei macht sie dem Besucher den Zugang – im doppelten Sinne des Wortes – nicht gerade leicht: Die halb geöffnete Tür scheint irgendwie arretiert und lässt sich gerade weit genug öffnen, als dass man sich Zugang zum Raum verschaffen kann. Das Innere erweist sich zunächst als ernüchternd leer, in das triste Grau eines unregelmäßig ausgeführten Anstriches getaucht. Im Gegensatz dazu bemerkt man eine Mauernische, die ehemals als Wandschrank diente und nun wie eine abstrakte Leerstelle im räumlichen Gefüge anmutet. Eine Situation, der sich Bea Otto mittels einer lakonischen »Instandsetzung« bemächtigt: Wand- und Deckenflächen der Nische wurden geglättet und erstrahlen jetzt in lichtem Weiß, während der übrige Raum sich durch diese partielle »Renovierung« umso vernachlässigter zeigt. Präzise eingepasst in die Wandvertiefung erscheint glänzend eine verchromte Kleiderstange, die die Künstlerin eigens hierfür hat anfertigen lassen. Darüber hängt ein aus mehreren aneinander genähten Stücken bestehender Fellstreifen, der einen seidigen Glanz verströmt. Im Vergleich zum abgelebten und melancholischen Gesamteindruck des Raums ist diesem seltsamen Aufeinandertreffen auch etwas Dunkles und Animalisches zu Eigen.

Gewissermaßen unter Aufbietung maximaler Sparsamkeit der Ausdrucksmittel gelingt es Bea Otto, ein räumliches Kontinuum zu kreieren, das durch leise Differenzierungen und subtile Zwischentöne auf den Betrachter wirkt. Bewusst spielt sie dabei mit den Gebrauchseigenschaften und funktionalen Zweckstrukturen des Raums. Dabei erscheinen die Grenzen zwischen Nicht-Kunst und Kunst aufgehoben, lassen eine Sphäre der Indifferenz entstehen, die unablässig in Bewegung bleibt, und in der sich fortlaufend das eine in das andere entgrenzt. Die Künstlerin bewegt sich entlang der Grenzen ästhetischer Autonomie, geschickt nutzt sie Raum als physisch präsentes Volumen in seiner gesamten Erscheinung. Orte werden im Werk von Bea Otto als transitorische Räume verstanden, sind Ereignis, sind schwebende Koordinatennetze, sind wechselnde Bezüge und immer wieder neu zu verhandelnde Territorien. In der sichtbar inszenierten Leere lassen sie einen offenen und unabgeschlossenen Werkcharakter entstehen, der nach einer aktiven Ergänzung in der Wahrnehmung des Betrachters verlangt.

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